Begründung zum Antrag auf
Änderung des Schulnamens der Grundschule Eckesey in
Gebrüder-Grimm-Schule
Schon im Herbst 1999 entstand in
einem informellen Gespräch zwischen Eltern und Lehrer(inne)n unserer
Schule der Wunsch, der Grundschule Eckesey einen eigenen Namen zu
geben. Die Eltern formulierten es so: „Der Name Grundschule Eckesey
ist eigentlich nichts weiter als eine Ortsangabe.“
In weiteren Gesprächen
kristallisierte sich die Bedeutung dieser ersten Aussage deutlicher
heraus: Es ist uns wichtig, die Ausprägung unseres Schulprofils durch
einen eigenen Namen zu stärken. Wir wollen deutlich machen, dass wir
zwar ein Teil unseres Stadtteils sind mit dem wir - wie in den letzten
Jahren - eng verbunden sein möchten, aber doch auch ein eigenständiges
„Haus des Lernens“.
Im weiteren Verlauf machten wir
uns nun auf die Suche nach einem geeigneten Namen. Folgende Kriterien
sollte er unserer Meinung nach erfüllen:
Bei Personennamen sollte der Träger/die Trägerin dieses
Namens sich Verdienste erworben haben - möglichst mit Auswirkungen auf
den Bereich der Grundschule.
Er soll möglichst eine weitere Verbundenheit mit dem Stadtteil
verdeutlichen.
Unsere Kinder, als Bewohner unseres „Haus des Lernens“, sollen mit dem
Namen etwas verbinden können.
Eine erste Eingrenzung war schnell
gefunden:
Ein wichtiges Ziel von Schule
und Unterricht ist die Heranführung an die Sprache. In der heutigen
Zeit, die durch eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Spracharmut
bestimmt wird, gewinnt dieser Aspekt eine besonders große Bedeutung.
So kam eine Sammlung von Autor(inn)en, Dichter(inne)n und auf andere
Weise mit Sprache befasster Personen in die engere Wahl. Mit dieser
Eingrenzung wurde zudem dem zweiten Kriterium Rechnung getragen. Im
Stadtteil Eckesey tragen die Straßen die Namen berühmter Dichter
(Goethe, Herder, Klopstock, Wieland, Schiller, Eichendorff,
Droste-Hülshoff, Lenau ...). Einen dieser Namen zu wählen wurde
verworfen, da es unserem dritten Kriterium widerspricht. Das (Lebens-)
Werk dieser Dichter Grundschulkindern nahe zu bringen ist kaum
sinnvoll möglich.
Die Verfasser(innen) von
Kinderliteratur kämen da eher in Frage.
Nach all den Überlegungen
standen zum Schluss folgende Namen auf unserer Liste:
James Krüss,
Ottfried Preußler,
Michael Ende und
die Gebrüder Grimm.
Eine Abfrage unter
Schülern/Schülerinnen, Eltern und Lehrer(inne)n ergab ein eindeutiges
Votum für die Gebrüder Grimm, Kindern und Eltern insbesondere bekannt
als die „Märchen-Sammler“.
Wir wissen aus der Biografie
der Gebrüder, dass sie sich noch auf vielfältig andere Weise um
die Sprache verdient gemacht haben.
Jacob
Ludwig Karl Grimm wurde am 4. Januar 1785 in Hanau geboren und
starb am 20. September 1863 in Berlin, sein Bruder Wilhelm Karl
Grimm, geboren am 24. Februar 1786 ebenfalls in Hanau, verstarb
am 16. Dezember 1859 in Berlin.
Bekannt geworden sind sie
sicherlich durch die gemeinsam herausgegebenen „Kinder- und
Hausmärchen“ in drei Bänden (1812-1822).
Jacob gilt jedoch darüber hinaus
als der eigentliche Begründer der germanischen Philologie. Er ordnete
die zahlreichen Ansätze aus vorangegangener Zeit systematisch und
entwickelte sie nach wissenschaftlichen Prinzipien weiter. Jacob war
1848 Abgeordneter im Frankfurter Parlament. Seine „Deutsche Grammatik“
begründete die historisch-germanische Sprachforschung. Er arbeitete
gemeinsam mit seinem Bruder am Deutschen Wörterbuch und gab es heraus.
Wilhelm Grimm war, wie sein Bruder
Jacob, Mitglied der Akademie der Wissenschaft in Berlin. Dass die
Sammlung der Kinder- und Hausmärchen zu einem „Volksbuch“ wurde, wird
Wilhelms Erzähltalent in anschaulicher Prosa zugeschrieben. Zu
zahlreichen altdeutschen Dichtungen führte er literarhistorische und
sprachliche Untersuchungen durch.
Weitere Werke der Brüder sind:
Deutsche Rechtsaltertümer (1828), Deutsche Mythologie (1835),
Geschichte der deutschen Sprache (1848), Deutsche Sagen in zwei Bänden
(1816-1818), Die deutschen Heldensagen (1829), Über Freidank
(1850-1855), Selbstbiographie, Briefwechsel mit Jenny von
Droste-Hülshoff.
Ich möchte hier für den Bereich
der Grundschule die Märchen in den Vordergrund rücken. Zum
Thema Märchen für Kinder gibt es, wie wir alle wissen, immer wieder
kontrovers geführte Diskussionen. Für uns jedoch hat der „zeitgemäße“
Umgang mit Märchen für Kinder einen hohen Stellenwert. Zunächst einmal
sind die Märchen seit alters her die am meisten erzählte und - seit
die Gebrüder Grimm sie aufgeschrieben haben - vorgelesene Gattung der
Prosa. Dass das Vorlesen ein wertvoller Bestandteil
einer lebendigen Lese- und Schriftkultur ist, die sorgsam gepflegt und
ausgestaltet werden sollte, ist unumstritten. Kinder brauchen Zeit und
Muße, sich mit Sprache, Schrift und Schrifterzeugnissen auseinander zu
setzen. Leseförderung beginnt lange bevor Kinder im engeren Sinne
schreiben und lesen lernen. Kinder haben heute jedoch häufig keine
ausreichenden Lesevorbilder und - anregungen. Nicht erst seit PISA ist
bekannt, dass Lesen eine Schlüsselkompetenz darstellt. Die Situation
des Vorlesens in einer gemütlichen, entspannten Atmosphäre lädt die
Kinder ein, sich einzulassen auf fremde Bedeutungszusammenhänge. Wo
sonst kann sich in einem ruhigen Rahmen die Kraft der Bilder und die
für die Kinder so wichtige, grundlegende Bereitschaft zur
Imagination entfalten? Bei der Auflösung von Familienstrukturen
und dem Verlust einer Vorlesekultur in den Familien muss Grundschule
diese Aufgabe übernehmen. Beim Fernsehen und Computerspielen wird
diese Imagination jedenfalls von einem externen Medium übernommen und
das Kind hat keine Chance, eigene Bilder im Kopf zu entwickeln (Lesen
ist wie fernsehen im Kopf.).
Kinder, die das Vorlesen erfahren
haben, greifen dann später viel lieber zu Texten, um sie sich selbst
zu erlesen und werden zu motivierten Lesern.
In den Biographien der Gebrüder
Grimm wird erwähnt, dass sie durch erzählte Märchen und Legenden dazu
motiviert wurden, sich mit Sprache auseinander zu setzen. Später
reisten sie weit, um Märchenerzähler anzutreffen. Auf diese Weise
haben die Gebrüder Grimm über 200 Märchen niedergeschrieben und das
Vorlesen durch „nicht professionelle“ Märchenerzähler erst ermöglicht.
Unter Volksmärchen versteht
man, laut Definition der Literaturwissenschaft, eine kürzere
volksläufig-unterhaltsame Prosaerzählung von phantastisch-wundersamen
Begebenheiten ohne zeitliche und räumliche Festlegung. Dabei ist die
Hauptfigur des Märchens stets so gezeichnet, dass sie zur
Identifikation anregt. Typisch sind:
das Eingreifen
übernatürlicher Gewalten ins Alltagsleben,
redende und Menschengestalt annehmende Tiere,
Tier- und Pflanzengestalt annehmende verwunschene Menschen, Hexen,
Zauberer, Feen, Zwerge, Riesen, Drachen u.ä.,
Bestrafung des Bösen – Belohnung des Guten (Happy End),
eine einfache Form – eindimensionales Erzählen.
In dieser Definition liegt die
nicht nur psychologische Begründung für das Vorlesen und
Behandeln von Märchen im Unterricht.
In Märchen sind die Bösen und die
Guten klar definiert.
Der Held oder die Heldin steht vor
großen Herausforderungen und gefährlichen Situationen, die er/sie
meistern muss.
Die Botschaft der Märchen ist
eindeutig: Es gibt Probleme und Konflikte, aber du kannst sie
überwinden, auch wenn du dich jetzt noch so schwach und klein fühlst.
Gruselige Gestalten und
Geschehnisse spiegeln Kämpfe und Konflikte wieder. Märchen nehmen die
Ängste und Wünsche von Kindern ernst und sprechen sie unmittelbar aus.
Die Kinder können sich mit ihren realen Ängsten (Trennung von den
Eltern, Armut, Alleinsein, ...) auseinandersetzen und zwar in einer
anderen, der Realität fernen Welt.
Märchen gibt es in allen Kulturen.
Teilweise zeigen sie ähnliche Gegebenheiten auf, haben aber manchmal
auch überraschend andere Wendungen. Gerade in einem Einzugsgebiet wie
dem unseren ist der interkulturelle Aspekt der Märchen
hervorzuheben. Märchen fremder Kulturen können vorgelesen und
besprochen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede hervorgehoben werden. Die
bekanntesten Märchen der Gebrüder Grimm werden inzwischen in vielen
Übersetzungen aufgelegt. Die Sprache der Märchen - geprägt von
den Gebrüdern Grimm - ist direkt und klar. Viele Reime, Rhythmen und
Wiederholungen geben den Kindern Halt durch die Wiedererkennung und
leiten sie den Handlungsstrang entlang. Sie werden schon nach kurzer
Zeit auswendig mitgesprochen. Die bildgeprägte Sprache der Märchen
(ihre Symbole, Metaphern, geheimnisvollen Redewendungen u.a.) hat für
die Kinder bei der Entwicklung eigener Vorstellungen und innerer
Bilder einen hohen Stellenwert.
Nachdem das Typische am Märchen
herausgearbeitet wurde, sind die Kinder hoch motiviert, eigene Märchen
zu erfinden und aufzuschreiben.
Fazit:
Die Gebrüder Grimm haben uns mit ihrer Sammlung von Kinder- und
Hausmärchen einen Schatz an die Hand gegeben, der von uns als
Lehrer(innen) und Eltern sinnvoll und zeitgemäß an die Kinder
herangetragen werden kann und muss. |